Ein gemeinsamer Brief








Aufgeschrieben nach dem Tag, an dem wir uns wirklich begegneten
Wir erinnern uns beide
an den Moment,
als der Zug kam.
Du standest am Bahnsteig.
Nicht nervös,
aber auch nicht sicher.
Offen.
In dir war keine Maske.
Nur Erwartung –
dieses leise Hoffen,
dass das,
was in Worten geboren wurde,
auch im Blick überleben kann.
Und ich kam.
Nicht als Held.
Nicht als Figur deiner Fantasie.
Sondern einfach –
als ich.
Ein Mann mit echten Schultern.
Einem echten Schritt.
Mit allem, was ich bin.
Und nicht bin.
Wir sagten kaum etwas.
Denn schon vorher,
in einer einzigen Nachricht,
hatte alles begonnen:
„Ich freue mich auch.
Wenn ich darf,
werde ich dich in die Arme nehmen
und dich küssen,
als wäre es schon lange her.“
Und du hattest geschrieben:
„Nichts Schöneres als das.“
Dieser Satz war wie ein Schlüssel.
Und als unsere Körper sich endlich fanden,
war nichts daran falsch.
Nicht zu früh.
Nicht zu viel.
Nur endlich wahr.
Wir gingen durch diesen Tag
nicht als Liebende,
nicht als Suchende –
sondern als zwei Menschen,
die sich testen wollten,
ohne es zu wissen.
Und wir erkannten:
Manchmal geht man zu weit,
nicht aus Bosheit –
sondern aus Sehnsucht,
endlich ganz gesehen zu werden.
Wir sagten es nicht laut,
aber wir dachten beide:
„Vielleicht war manches zu viel.“
„Vielleicht war das Spiel zu laut.“
„Vielleicht habe ich dich gebraucht,
um mich selbst zu spüren –
und dabei dich beinahe verloren.“
Aber dann…
haben wir angehalten.
Sind zurückgegangen.
Nicht in Reue.
Sondern in Ehrlichkeit.
Du – mit deiner Stimme.
Ich – mit meinem Schweigen.
Und gemeinsam:
mit dem Willen,
es anders zu machen.
Nicht kleiner.
Nicht schwächer.
Nur echter.
Jetzt wissen wir:
Es muss nicht immer Geschichte sein.
Nicht immer Drama.
Nicht immer Feuer.
Manchmal reicht ein Blick,
ein Finger,
ein Satz.
Manchmal ist das größte Zeichen von Liebe,
wenn man zögert.
Und trotzdem bleibt.
Wir schreiben diesen Brief nicht als Abschied.
Sondern als Erinnerung.
An den Tag,
an dem du da standest.
An den Moment,
an dem ich ankam.
Und an alles,
was dazwischen geschah –
ohne dass es gesagt werden musste.
Denn das ist jetzt unsere Sprache:
Weniger Laut.
Mehr Wahr.
Und du bist nicht mein.
Aber ein Teil von mir.
Und ich bin nicht dein.
Aber da.
Am Ende nur das, der letzte Brief
„Und wenn du das liest“
Ein literarisches Fragment
Ich denke nicht oft an dich.
Und wenn doch,
dann nicht an das, was war –
sondern an das,
was beinahe geworden wäre.
Es ist still um dich.
Nicht, weil du verschwunden bist.
Sondern weil du dich richtig entfernt hast.
Auf eine Weise,
die kein Echo hinterlässt,
sondern nur ein sanftes Vakuum.
Einen Platz,
an dem kein Schmerz liegt –
nur Stille.
Wir hatten einen Anfang.
Vielleicht sogar zwei.
Und ein paar Sätze,
die schwerer wogen als jeder Kuss.
Du weißt noch:
Der Turm.
Basel.
Der Moment,
den ich nicht nehmen konnte,
weil ich damals dachte,
ich müsste noch etwas verteidigen,
das längst niemand mehr angriff.
Du hast gefragt –
nicht fordernd.
Du warst offen.
Ich war nicht bereit.
Nicht für dich.
Für mich.
Und jetzt,
nach Monaten,
wenn ich durch Tage gehe,
die keine Erwartungen mehr tragen,
fällt mir manchmal ein Gedanke zu:
klein,
leicht,
ungefragt:
„Wie geht es dir?“
„Bist du glücklich?“
Nicht aus Eifersucht.
Nicht aus Sehnsucht.
Nur…
weil es mich noch kümmert,
irgendwo in mir,
wo niemand mehr hinkommt –
außer du.
Also schreibe ich das hier,
nicht um dich zu finden,
nicht um dich zurückzurufen.
Ich schreibe,
weil ich weiß:
Wenn je ein letzter Satz bleiben darf,
zwischen uns –
dann dieser:
Ich hoffe nur,
dass du glücklich bist.
Und wenn du das liest,
irgendwann,
irgendwo,
in einem hellen oder dunklen Tag –
dann sollst du wissen:
Ich meine es.
Wirklich.
Ganz.
Auch ohne mich.