Die Türe



Es klopfte an der Tür. Leise, fast zögerlich. Ich stand auf und öffnete. Enrica stand vor mir, ein wenig verloren, aber mit einem entschlossenen Blick.
„Kann ich reinkommen?“ fragte sie leise.
„Natürlich,“ antwortete ich und trat zur Seite. Sie kam herein, und ich zeigte auf den Stuhl vor dem Sofa. „Du kannst hier Platz nehmen – oder wo immer du möchtest.“
Sie sah sich kurz um und entschied sich für den Stuhl. Vorsichtig setzte sie sich, die Hände im Schoß gefaltet. Ich setzte mich gegenüber auf das Sofa.
„Was führt dich zu mir?“ fragte ich. „Warum bist du hier?“
Enrica schwieg einen Moment. Sie wirkte, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. Schließlich sah sie mich an.
„Ich weiß es nicht genau,“ antwortete sie. „Vielleicht will ich einfach eine Geschichte hören. Oder vielleicht suche ich nach etwas anderem – nach mir selbst.“
Ihre Worte trafen mich auf eine Weise, die ich nicht erwartet hatte. Plötzlich erinnerte ich mich an einen Moment, der lange zurücklag. Genf, am Flughafen. Ich hatte damals meine Ex-Freundin zum Flughafen gebracht. Eigentlich, um sie gehen zu lassen. Wir hatten uns getrennt, und es war klar, dass wir uns nicht wiedersehen würden. Doch als sie durch die Sicherheitskontrolle ging, drehte sie sich plötzlich um, kam zurück und gab mir einen Kuss – einen Kuss, wie ich ihn von ihr nie zuvor bekommen hatte.
Damals hatte ich mich gefragt: War das ein Abschied in Liebe oder nur der Schmerz des Endes? Ein Kuss, der mehr sagte als Worte. Aber es blieb eine Frage – wie sieht Abschied in Liebe aus? Ist es ein letzter Versuch oder einfach die Erkenntnis, dass Gefühle nicht immer greifbar sind?
Ich sah Enrica an. In diesem Moment wurde mir klar: Ich kannte sie vorher nicht. Sie war kein Teil meiner Vergangenheit. Aber jetzt war sie da, mit ihren Fragen und ihrer Suche nach sich selbst.
„Manchmal,“ begann ich, „sucht man jemanden, der einem hilft, sich selbst zu verstehen. Nicht, weil die Person die Antwort kennt, sondern weil sie einem den Raum gibt, zu fragen.“
Enrica sah mich an, nachdenklich, aber auch irgendwie erleichtert.
„Erzähl mir eine Geschichte,“ bat sie. „Vielleicht eine Metapher. Was passiert, wenn jemand unerwartet an deine Tür klopft? Wie würdest du reagieren?“
Ich lächelte. „Weißt du,“ begann ich, „es gibt viele Geschichten. Aber im Grunde erzählen sie alle nur eins: Wie man es schafft, Liebe zuzulassen, Liebe zu geben und Liebe auszuhalten – auch wenn es anders kommt als gedacht.“
„Stell dir vor,“ sagte ich, „es ist ein Tag wie jeder andere. Du stehst vor einer Tür und klopfst, nicht sicher, ob jemand da ist. Aber dann öffnet sich die Tür. Und du stehst da – mit deinen Gedanken, deinen Fragen und deiner Unsicherheit.
Und in diesem Moment entscheidest du: Gehst du weg oder sagst du, was du fühlst? Nicht laut, nicht groß, sondern einfach echt. Wenn du den Mut findest und sagst: ‚Ich will dich lieben, aber ich weiß nicht, ob ich es kann.‘ Dann beginnt die eigentliche Geschichte. Nicht, weil es sofort klappt, sondern weil du ehrlich bist. Weil du dich traust, die Tür zu öffnen.“
Enrica blieb still, ihre Hände ruhig, ihr Blick nach innen gekehrt.
„Vielleicht,“ flüsterte sie, „ist es genau das, was ich lernen muss.“