„Zenaida tippt…“

Das Klopfen an der Tür

Ben sitzt in seinem Zimmer. Oder besser gesagt – in seinem Loch.

Die Luft ist stickig, durchzogen von abgestandenem Rauch und dem scharfen Geruch von billigem Whisky. Die Klimaanlage kämpft müde gegen die Hitze an, doch sie tut kaum mehr als ein leises Summen von sich geben.

Er starrt auf die Flasche in seiner Hand, sein Blick trüb, seine Gedanken schwer.

Selbstmitleid.

Er badet darin, taucht tief hinein, als gäbe es darin eine Antwort auf all die Fragen, die er sich längst nicht mehr stellt.

Dann – das Klopfen.

Nicht laut. Nicht fordernd. Einfach ein dumpfes tok, tok, tok gegen die Tür.

Ben hebt den Kopf, blinzelt. Für einen Moment hält er den Atem an, lauscht. Vielleicht hat er es sich nur eingebildet?

Doch dann – nochmal.

Tok. Tok. Tok.

Er schnaubt. Wer zur Hölle sollte etwas von ihm wollen?

Langsam, mit der Schwere des Alkohols in seinen Gliedern, wuchtet er sich hoch. Seine Füße treten auf leere Flaschen, die klirrend zur Seite rollen. Sein Magen rebelliert, sein Kopf pocht.

Er öffnet die Tür.

Niemand.

Nur der dunkle Flur, der Geruch nach abgestandener Luft.

Doch dann sieht er es.

Direkt vor seinen Füßen.

Eine Schüssel Reis. Eine Flasche Soda. Und eine kleine, unscheinbare Karte auf dem Boden.

Langsam beugt er sich hinunter, hebt die Karte auf.

Die Schrift darauf ist hastig gekritzelt, die Worte einfach.

„กินข้าว ดื่มน้ำ แข็งแรง“

Ess Reis. Trink Wasser. Sei stark.

Ben runzelt die Stirn. Wer würde ihm so etwas vor die Tür stellen?

Er dreht die Karte um.

Darauf – ein chinesischer Lampion, mit wenigen Strichen gezeichnet.

Sein Magen zieht sich zusammen.

Er weiß nicht warum. Aber irgendetwas daran fühlt sich falsch an.

Oder vielleicht… zu richtig.

Er lehnt sich an den Türrahmen, betrachtet die einsame Mahlzeit vor sich.

Sein Kopf sagt ihm, dass das keine Bedeutung hat.

Doch sein Bauchgefühl – das verdammte, untrügliche Bauchgefühl, das ihn noch nie im Stich gelassen hat – sagt ihm:

Das hier ist der Anfang von etwas.

Der Instinkt des Überlebens

Ben denkt nicht lange nach.

Überleben ist kein Akt des Nachdenkens, sondern eine Gewohnheit. Sein Körper braucht Nahrung, und da steht eine Schüssel Reis. Also setzt er sich hin, nimmt die Stäbchen und isst.

Jeder Bissen schmeckt nach Einfachheit. Nach etwas, das er nicht gewohnt ist – Fürsorge.

Nicht, weil er wichtig ist. Nicht, weil er es verdient. Sondern einfach, weil jemand wollte, dass er isst.

Das Soda zischt leicht, als er die Flasche öffnet. Er trinkt, spürt die Kohlensäure auf seiner Zunge.

Dann lehnt er sich zurück, greift nach seinem Handy.

Der chinesische Lampion auf der Karte starrt ihn an.

Er hebt das Bild auf, knipst es mit seinem Handy ab. Nicht, weil er etwas Bestimmtes damit will – sondern weil irgendetwas daran ihn nicht loslässt.

Er öffnet X. Lädt das Bild hoch.

Kein Kommentar. Kein Hashtag. Nur das Bild.

Und dann lehnt er sich zurück, schließt die Augen.

Sein Kopf fühlt sich klarer an als noch vor zehn Minuten. Vielleicht, weil sein Magen endlich etwas anderes als Alkohol verarbeitet.

Einige Minuten verstreichen.

Dann vibriert sein Handy.

Ein Like.

Dann eine Nachricht.

„Geht es dir gut?“

Er runzelt die Stirn. Die Antwort darauf wäre kompliziert.

Bevor er antworten kann, kommt die nächste Nachricht.

„Was suchst du?“

Ben starrt auf den Bildschirm.

Er hatte gedacht, dass er nichts sucht. Dass er längst aufgehört hatte, nach irgendetwas zu fragen.

Aber jetzt, in diesem Moment, ist er sich nicht mehr sicher.

Langsam tippt er seine Antwort.

„Ich suche den, der mir das hier vor die Tür gelegt hat.“

Absenden.

Der Cursor blinkt. Dann erscheint die kleine Markierung:

„Zenaida tippt…“

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