Thailand – und mein Kopf atmet, Ben besuchte heute das Post Office







Flucht oder Freiheit?
Ben sitzt hier, an einem Ort, der nicht sein Thailand ist. Nicht das Land, das er einst kannte.
Um ihn herum alte Männer, die ihr Erspartes in Bars lassen, auf der Suche nach einer Illusion von Nähe.
Junge Thai-Girls setzen sich zu ihnen, solange das Geld fließt.
Wenn es versiegt, sitzen sie in der Hotellobby – wartend, schweigend, auf den Rückflug in ein Leben, das sie nicht mögen.
Zu Hause ist es kalt, trist, die Frauen langweilig, sagen sie. Aber ist es das wirklich?
Sind sie nicht einfach nur an einem Ort, an dem nichts mehr von ihnen erwartet wird?
Und Ben? Was sucht er hier?
Nicht das, was diese Männer suchen. Nicht diese Ersatzwelt, nicht dieses Spiel.
Ich fliehe vor der Realität, die mich zu verschlingen droht, und finde in der Ferne eine Freiheit, die meinen Kopf endlich atmen lässt – doch auch hier lauern unbekannte Gefahren, wie Freunde, die keine Freunde mehr sind.
Vielleicht sind es die letzten Nischen, die noch existieren, bevor sie verschwinden.
Vielleicht will er sie entdecken, bevor auch sie versiegen.
Oder hat es ihn hierher gespült, weil alle denken, dass er nirgendwo anders hingehört?
Wie jeden Morgen wacht Ben nicht alleine auf. Er mag das Gefühl nicht, allein zu sein.
Doch es ist kein erkauftes Gefühl, keine leere Gesellschaft.
Es sind stets Menschen, die ihm nahe sein wollen – aus welchen Gründen auch immer.
Joanna ist es nicht. Oder noch nicht.
Vielleicht wird sie es nie sein. Vielleicht doch.
Den Ausgang der Geschichte kennt er nicht. Und ich auch nicht.
Aber eines weiß ich: Das Frühstück hat Ben gut gemundet.
Nach dem Essen zieht er sich auf sein Zimmer zurück.
Kurze Zeit später kehrt er zurück – mit drei Postkarten in der Hand.
An der Rezeption lässt er sich den Weg zum nächsten Postamt erklären.
Und in diesem Moment klingen bei Joanna alle Alarmglocken.
Sie folgt ihm. Wie ein Schatten.
In der Straße angekommen, dreht sich Ben um und vergewissert sich, dass ihm niemand folgt. So denkt Joanna.
Dann tritt er ins Post Office ein, legt die drei Postkarten auf den Tresen und spricht kurz mit der Angestellten.
Es wirkt beiläufig, fast unbedeutend. Doch Joanna weiß: Menschen wie Ben verschicken keine belanglosen Urlaubsgrüße.
Er lacht noch mit der Postangestellten, bedankt sich, verlässt das Gebäude – und geht zurück Richtung Hotel.
Dort angekommen, steuert er direkt die Bar an, setzt sich, bestellt einen Drink.
Joanna bleibt auf Abstand. Beobachtet.
Denn etwas sagt ihr, dass dieser Mann nie einfach nur eine Postkarte verschickt.
Ben lehnt sich an die Bar, nimmt einen Schluck und lässt den Blick durch den Salon schweifen.
Scheinbar zufällig entdeckt er Joanna.
Ein kurzes Zögern, dann winkt er ihr zu. Lässig, einladend – als hätte er sie erwartet.
Er bestellt etwas, das sie überrascht. Ihren Lieblingsdrink.
Whiskey mit Soda und einem Eiswürfel.
Joanna setzt sich, ihre Miene neutral, doch ihre Alarmglocken schrillen.
Ben prostet ihr zu, sein Blick ruhig, aber nicht ohne Herausforderung.
„Na, Joanna… hast du schon zu Erkenntnissen gelangt?“
Er lehnt sich entspannt zurück, nippt an seinem Drink und erzählt ihr scheinbar beiläufig vom Besuch im Post Office.
„Drei Postkarten habe ich verschickt,“ sagt er. „Zwei mit einem gezeichneten Thai-Pferd, eine mit einem Markt voller tropischer Früchte.“
Sein Ton ist ruhig, fast beiläufig, aber Joanna weiß, dass bei Ben nichts ohne Grund geschieht.
„Es gefällt mir hier“, fährt er fort. „Und ich dachte mir, ich lade dich am Samstag zu einer Bootsfahrt zu den Inseln ein.“
Joanna hebt eine Augenbraue. „Einfach so?“
Ben grinst. „Sicher nicht.“
Dann lehnt er sich näher und sagt mit einem Lächeln: „Ich mag schöne Frauen um mich.“
Joanna bleibt äußerlich ruhig, doch innerlich schrillen alle Alarmsirenen, die sie hat.