
Es war der 6. Dezember, ein kühler, klarer Abend, als Tomas und Anna durch die Felder wanderten. Der goldene Schein der untergehenden Sonne verlieh der Landschaft eine magische Atmosphäre. Sie hatten sich vorgenommen, die alte Burg im Wald zu besuchen, die sie beide so faszinierte. Tomas hatte seine Kamera dabei, um besondere Momente einzufangen, während Anna die Ruhe und Schönheit der Natur genoss.
Plötzlich raschelte es in den Büschen. Ein Mann, groß und mit einem langen, vollen Bart, trat hervor. Er trug einen rustikalen, roten Mantel und einen breiten Hut mit einer weißen Feder. Seine Augen funkelten freundlich, und er hatte einen großen Sack über der Schulter. Es war Niklaus, doch nicht irgendein Niklaus – es war der Samichlaus.
„Grüezi wohl,“ begrüßte er die beiden mit einer Stimme, die tief und warm klang, wie ein Feuer, das an einem kalten Winterabend knistert. „Ihr seid weit gekommen, um die Burg zu sehen. Aber manchmal findet man, was man sucht, nicht in großen Mauern, sondern im Herzen des Waldes.“
Tomas und Anna sahen sich überrascht an. „Wir wollten eigentlich nur die Aussicht genießen,“ sagte Tomas, „aber wer seid ihr, dass ihr uns so kennt?“
Niklaus lächelte geheimnisvoll. „Ich bin einer, der Reisende begleitet – sei es über weite Felder oder durch die Gedanken. Eure Reise ist mehr als nur ein Weg zu einer Burg. Es ist eine Suche nach Erinnerungen und Geschichten.“
Er lud sie ein, mit ihm in den Wald zu gehen. Dort, unter einer alten Eiche, breitete Niklaus eine Decke aus und öffnete seinen Sack. Darin waren keine Geschenke im herkömmlichen Sinne, sondern kleine Dinge, die Geschichten erzählten: ein verstaubter Kompass, ein zerbrochenes Taschenuhrgehäuse, eine Feder.
„Diese Dinge sind Fragmente vergangener Reisen,“ erklärte Niklaus. „Jede erzählt von einem Abenteuer, einer Begegnung, einem besonderen Moment. Sucht euch eines aus.“
Tomas griff nach dem Kompass, und sofort erinnerte er sich an seine Kindheit, als er davon träumte, die Welt zu bereisen. Anna nahm die Feder, und in ihrem Inneren tauchte das Bild einer unvergesslichen Reise mit ihrem Vater auf, der sie einst ermutigt hatte, ihren eigenen Weg zu gehen.
Als sie den Wald wieder verließen, fühlten sich Tomas und Anna leichter, als hätten sie einen Teil ihrer alten Träume zurückgewonnen. Die Burg lag noch in der Ferne, aber sie entschieden, sie an einem anderen Tag zu besuchen.
Niklaus winkte ihnen nach, bevor er im Schatten der Eiche verschwand, sein Sack wieder verschlossen. Sie wussten, dass sie ihm nicht zufällig begegnet waren.
„Manchmal,“ sagte Anna lächelnd, „sind die schönsten Reisen die, die uns zu uns selbst führen.“ Tomas nickte, seine Kamera fest in der Hand.
Es war eine Reise, die eigentlich keine war – und doch hatten sie etwas Wertvolles gefunden.