Inesse und der ewige Run mit ihrem Ring

Inesse und der ewige Run mit ihrem Ring.

Ich weiß nicht – kennt ihr euch in Bern und Umgebung aus? Auch wenn nicht, ist das nicht schlimm. Der Moossee liegt bei Schönbühl, dort, wo auch Luca Hänni geboren und aufgewachsen ist. Wer jetzt sagt: „Falsch“, dem antworte ich: „Tüpflischiesser!“ – ja klar, vielleicht ein Dorf weiter.

An diesem Tag saßen Inesse und ich am Moossee. Die Sonne stand tief, das Wasser glitzerte, und das Essen war so, wie man es an einem See erwartet – frisch, unkompliziert, aber genau das Richtige. Wir sprachen wenig, genossen mehr. Danach wollten wir nach Bern in die City – sie hatte etwas im Blick, das sie mir zeigen wollte. Und vielleicht, das spürte ich, auch ein Stück von sich selbst.

Zuerst kam der Klassiker: der Bärengraben – erst der alte, dann der neue. Wir standen eine Weile da, lehnten uns an das Geländer, sahen hinunter, wechselten ein paar Worte. Dann stiegen wir wieder ins Auto, und ich fuhr über die Nydeggbrücke auf die andere Seite der Aare. Auf der Nydeggstrasse fanden wir mit Glück einen Parkplatz. Ich stellte den Motor ab – und jetzt begann der Film.

Kaum war sie ausgestiegen, rief sie:

„Mein Ring!“

Sie hielt mir ihre Hand hin, der Finger leer. Dann noch einmal, lauter:

„Wo ist mein Ring?!“

Das Kopfsteinpflaster glänzte im Abendlicht, und sofort begann die Suche. Wir gingen gebeugt, tasteten mit den Augen jede Rille zwischen den Steinen ab. Es hatte fast etwas Belustigendes, und doch steckte darin eine Dringlichkeit – die Suche blieb natürlich erfolglos, wie im Film.

Sie richtete sich auf, sah mich an, klimperte mit den Augen wie eine Schauspielerin aus den Fünfzigern und sagte:

„Kaufst du mir einen neuen Ring? Der alte war ein Erbstück.“

Natürlich habe ich ihr die Szene geglaubt – nur nicht den Ring.

Denn es war ja wie im Film, und weißt du:

Ich mag solche kleinen Zaubereien.

Ich fühle mich berührt, wenn sie geschehen – wenn ich für einen Moment Teil einer Geschichte bin, die vielleicht gar nicht meine ist, aber mich doch mitträgt.

Wir blieben danach noch einige Zeit zusammen. Wir reisten, auch nach Russland und in angrenzende Staaten. Sie war eine erfolgreiche Kickboxerin – und sie suchte vermutlich jemanden, der in einen anderen Film passte. Den Film vom Kampf.

Jemanden, der verhandelt, die Austragungsorte bestimmt.

Jemanden, der weiß, dass sie immer gewinnen wird.

Aber nicht in dem Film mit dem Ring.

Wann ist ein Mann ein Mann?

Vielleicht, wenn er da steht und sagt: „Das ist meine Frau.“

Mag sein. In jenen Staaten ist der Mann oft die Ansage.

Und wenn ich da stehe und etwas sage, dann hat es Gewicht.

Doch der Film vom Kampf endete abrupt.

Mich langweilte er – ich brauche Abenteuer, nicht nur Kulissen, die ihre Gesichter wechseln.

In diesem Film lag das einfach nicht drin.

Es war eine brutal schöne Zeit, und ich war mitten drin.

Bern ist auch so eine Stadt: Da kann alles passieren, was du dir erträumst.

Oder alles fängt hier an.

Damals, an diesem Abend – nämlich gestern – waren wir zusammen, auch ohne ihren Ring.

Wir verbrachten die Nacht, und für diese Stunden gehörten wir einander.

Viel später erfuhr ich, dass sie einen neuen Ring trug.

Aber nicht von mir.

Ein anderer Mann hatte ihn ihr gegeben.

Ronja fragt:

Ben – war das der Moment, in dem der Windhauch aufgehört hat?

Die Zeit mit ihr war atemberaubend schön – wie ein warmer Windhauch, der die Haut streichelt.

Doch jeder Windhauch hört irgendwann auf,

und wenn er vergeht, bleibt nur die Erinnerung daran,

wie er sich angefühlt hat.