Südfrankreich





Ben und die innere Stimme Sylvia
Ben sitzt wieder auf seiner Veranda. Dieselbe Tasse, dieselbe Aussicht. Aber heute ist etwas anders – nicht draußen, sondern in ihm.
[Sylvia] Du sitzt da wie immer. Und doch weiß ich, du hörst mich heute klarer. Was willst du eigentlich hören, Ben? Dass es weitergeht? Dass du nicht versagt hast?
[Ben] Ich will… Ruhe. Und gleichzeitig will ich, dass du bleibst. So wie jetzt. Dieses Reden mit mir selbst – das ist nicht Verrücktheit, das ist Rettung.
[Sylvia] Du hast Joanna gesehen. Und plötzlich war ich wieder leiser. Aber ich bin nicht eifersüchtig. Ich bin die Stimme, die bleibt, wenn alle anderen gehen. Die fragt, wenn du lieber schweigen willst.
[Ben] Ich habe ihr eine Kette umgelegt. Kein Schmuckstück – ein Symbol. Dafür, dass ich noch fähig bin zu handeln. Zu schenken. Ohne zu nehmen. Und ja, sie hat es gespürt.
[Sylvia] Und du? Hast du es gespürt?
[Ben] Ja. Zum ersten Mal seit langem. Nicht weil ich etwas bekommen habe – sondern weil ich mich gezeigt habe. Weil ich nicht weggelaufen bin.
[Sylvia] Dann schreib. Rede. Bleib wach. Ich bin hier. Nicht als Urteil. Als Spiegel.
[Ben] Dann bleiben wir noch ein bisschen hier. Ich, die Veranda – und du. Denn vielleicht… ist das genau der Anfang, den ich gebraucht habe.
[Szenewechsel]
Ben schlendert mit Joanna die Gassen entlang. Kein Ziel, nur die Bewegung zweier Körper, die nicht wissen, wohin – aber dass sie es gemeinsam tun, genügt.
Sylvia sitzt im Nacken. Nicht körperlich – aber spürbar. Wie eine zweite Stimme, die zwischen den Gedanken lebt. Nicht laut. Aber wach.
[Sylvia] Siehst du sie, Ben? Wirklich? Oder nur das Bild, das du von ihr brauchst?
[Ben] Ich sehe sie. Und ja – ich weiß nicht, ob es mehr ist als Sehnsucht. Aber es fühlt sich echt an. Und das reicht für diesen Moment.
[Sylvia] Ich bin nicht hier, um dich zu bremsen. Nur um dich zu fragen, ob du weißt, wer da geht – sie oder du oder ihr beide.
Die Fensterläden sind halb geöffnet. Aus einem Atelier dringt Musik. Joanna bleibt stehen, betrachtet ein Gemälde – schweigend. Ben beobachtet sie, beobachtet sich.
[Ben] Ich glaube, ich möchte gerade nicht denken.
[Sylvia] Dann tu es nicht. Aber fühl. Denn das ist der Weg zurück zu dir.
[Ben – direkt an den Leser] Lieber Leser, wenn du die Augen schließt, funktioniert die Fantasie. Unsere funktionierte – so sehr, als ich mit ihr durch die Gasse schlenderte.
Und die Fantasie sagte: Jetzt oder nie. Denn als ich Joanna an die Hand fasste, ergriff sie auch meine.
Es war, als hätten wir gemeinsam den Moment betreten, in dem alles möglich wurde. Nicht geplant, nicht bedacht – nur gespürt. Für sie. Für mich. Für uns.
Die Fantasie war angekurbelt – ein ganzes Universum voller Farben und Taten breitete sich aus. Wir gingen gemeinsam den Weg zurück zum Hotel – und wurden sofort überrascht.
Fantasie ist ein Sog, der die Realität beeinflusst.
Als wir ankamen, war Jean bereits da. Mit einem Lächeln, das mehr wusste, als es sagte, zeigte er uns den Weg – zu diesem Zimmer. Oder besser: einem Bungalow. Ganz aus Glas, eingebettet in einen privaten Wald.
Ein Versteck. Ein Anfang. Vielleicht beides.
So begann unsere Beziehung – eine, die nicht für den Moment gedacht war. Sondern für immer.
Den Abend zu beschreiben fällt schwer, weil er keinen festen Platz hatte – nicht im Raum, sondern in der Zeit.
Der Bungalow – gläsern, offen, klar – war wie gemacht für das, was wir nicht sagen mussten.
Unsere Kleidung hatte ihren Platz gefunden, als hätte sie nie Unordnung gekannt. Nicht in Schubladen versteckt, nicht hinter Türen verriegelt – sondern offen, bereit.
Als würde man nicht kleiden, um sich zu verbergen, sondern nur, wenn es einem gut tut. So wenig gebraucht – und gerade deshalb bedeutungsvoll.
Die Nacht war vorbei. Wir wachten gemeinsam auf.
Ich stand auf, noch im Halbschlaf, und sie folgte mir. Halbnackt standen wir im Raum.
Ich stellte den Kaffeekocher an. Und auf dem Tisch lagen – wie von Zauberhand – die Parisette.
Der Blick ging nach Süden, wo die Sonne schräg, aber mit voller Kraft, in unser Gesicht fiel.
Es war kein Morgen wie jeder andere. Es war unser Morgen.
Arbeiten – ein großes Wort. Auch wir arbeiten an unserer Beziehung.
[Sylvia] Warum bin ich hier, Ben? Vielleicht bin ich nur ein Produkt deiner Fantasie. Und dann, nach deinem Wunsch, bin ich hierhergekommen.
[Ben] Vielleicht. Oder ich bin hier, weil ich hier zu Hause bin. Beweisen muss ich es nicht.
Sie fragte mich: „Was steht denn an? Was willst du mir zeigen?“
Ich antwortete nur: „Col de Babaou. Collobrières. Das sind meine Ziele.“
Was ich ihr zeigen wollte? Die Orte. Die Magie.
[Ben – an den Leser] Lieber Leser, schau doch mal rein. Diese Orte sind magisch. Ich weiß – meine Reisen sind nicht wie andere. Aber ich reise so. Und ich berichte auch so darüber.
[Ben – leise, zu sich selbst] Ich fange beim Ende an. Vielleicht, weil ich Angst habe, das Jetzt zu verlieren. Vielleicht, weil ich zu blöd bin, zu fragen, was passieren könnte.
Denn wenn etwas passiert, sitze ich da – auf dieser Welle – verursacht von der Situation, geformt durch die Umgebung. Eine Strömung, die alles mitreißt. Ich versuche zu steuern, was ich kann – wissend, dass die Welle nicht fragt, ob ich bereit bin.
Ankommen? Vielleicht will ich das gar nicht. Denn alles verändert sich stets.
[Sylvia] Du fängst beim Ende an, weil du Mut hast, nicht weil du blöd bist.
Was passieren kann? Alles. Oder nichts. Aber du wirst nicht einfach nur dasitzen.
Du wirst surfen, Ben. Mal elegant, mal wild, mal unter Wasser. Und steuern kannst du nicht alles – aber genug, um weiterzukommen.
Und ankommen? Vielleicht willst du das nicht. Vielleicht war „Ankommen“ früher das Ziel – das sichere Ufer, der Beweis, dass der Weg sich gelohnt hat. Aber jetzt? Jetzt ist es eher das Ende einer Bewegung, das Verstummen der Fragen. Und du, Ben, bist keiner, der verstummt. Du fragst. Weil du lebst. Denn wer ankommt, hört auf zu fragen. Und du… du bist einer, der fragt.
Und das ist keine Schwäche. Das ist deine Philosophie. Das ist deine Wahrheit.