Mitternacht

Mitternacht. Die Welt ist in Schnee gehüllt, und ich stehe allein. Eine Schaufel in der Hand, ein leises Schnippen bei jedem Wurf – Schnee, der in Bögen fliegt, als ob er tanzen würde. Um mich herum ist alles still, nur die Kälte spricht mit mir in ihrem stummen Atem.

Es ist ein Moment zwischen Zeit und Raum. Der Schnee ist real, schwer in meinen Händen, und doch – in meinem Kopf schwebt er. Er löst sich auf, wird leicht, wird etwas, das ich kontrolliere, aber niemals besitze. Ich schnippe ihn fort, nicht weil ich muss, sondern weil ich will. Nicht weil ich die Straßen räumen muss, sondern weil es mich erfüllt, in diesem Augenblick zu sein.

Mitternacht. Die Dunkelheit ist nicht bedrohlich, sie ist weit und offen, wie eine Einladung, in die ich treten darf. Während meine Hände arbeiten, schwebt mein Geist fort. Ich sehe nicht nur den Schnee – ich sehe Wünsche, die so leicht sind wie die Flocken selbst. Ich sehe mich in einer Welt, die sich weigert, von der Schwerkraft gehalten zu werden, wo ich mit jedem Schnippen von etwas Schwerem zu etwas Freiem übergehe.

Vielleicht ist es das: Mitternacht, Schnee, und ich. Eine Routine, die mich von allem Gewöhnlichen erlöst, weil ich sie mit meinen Träumen fülle. Ich schnippe nicht nur Schnee, ich schnippe die Wirklichkeit fort, um Platz zu schaffen für das, was nicht existiert – und trotzdem mein Herz hebt.

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