

Die Frau im Roten Kleid
Es war eine Nacht, wie Tomas sie oft erlebt hatte: ruhig, still, und doch von einer ungreifbaren Sehnsucht durchzogen. Der Wind, der gegen die Klippen prallte, war sein einziger Begleiter. Er hatte sich zurückgezogen in die Sicherheit seines Wohnmobils, das wie ein Anker an den Rändern der Welt stand. Die Wellen des Meeres erzählten Geschichten von Ferne und Nähe, und Tomas hörte zu, ohne wirklich hinzuhören.
Dann klopfte es.
Das Klopfen war nicht laut, aber es hatte eine Bestimmtheit, die Tomas aus seiner Trance riss. Er öffnete die Tür und sah sie dort stehen – die Frau im roten Kleid. Sie trug nicht nur die Farbe der Leidenschaft, sondern auch eine Präsenz, die den Raum erfüllte, noch bevor sie eintrat. Ihre Augen hielten ihn fest, und ihre Lippen formten ein Lächeln, das etwas zwischen Einladung und Geheimnis war.
„Darf ich reinkommen?“ fragte sie, ihre Stimme weich, aber eindringlich.
Tomas wusste nicht, was er antworten sollte, doch sein Körper bewegte sich, als hätte er keine Wahl. Er trat zur Seite, und sie trat ein, das rote Kleid fließend wie eine Welle.
Die Nacht war eine Mischung aus Worten und Stille, aus Blicken, die mehr sagten als Sätze. Die Frau sprach von Orten, die Tomas nie besucht hatte, von Gefühlen, die er längst vergessen glaubte. Es war, als hätte sie den Schlüssel zu einem Teil von ihm, den er selbst nicht mehr fand.
Doch so plötzlich wie sie gekommen war, so vergänglich war ihr Aufenthalt. Am Morgen war sie fort, ohne Spuren zu hinterlassen, außer in Tomas’ Gedanken und in seinem Herzen.
Aber sie war nicht wirklich fort. Ihre Anwesenheit blieb wie ein Echo, eine Erinnerung, die ihn begleitete, selbst in den stillsten Momenten. Sie war der Funke, der ihn aufrüttelte, der ihm zeigte, dass er noch fühlen, lieben und träumen konnte.
Jahre später, als er neben Elena stand und in die Weite des Meeres blickte, dachte er an die Frau im roten Kleid. „Sie war wie ein Sturm,“ murmelte er leise, „der alles durcheinanderwirbelte, nur um die Dinge wieder ins Gleichgewicht zu bringen.“
Elena legte ihre Hand auf seine Schulter, ihre Augen voller Verständnis. „Manchmal brauchen wir den Sturm, um den Weg zu finden, Tomas,“ sagte sie sanft.
Und in diesem Moment wusste Tomas, dass die Frau im roten Kleid nicht nur eine Erinnerung war. Sie war der Anfang von allem – der Brücke zwischen dem, was war, und dem, was nun sein durfte.