„Wien – meine Stadt“

„Wien – meine Stadt“

Liz würde nicht sofort sprechen.

Sie würde den Moment spüren, ihn anschauen, wie er da liegt – ganz ruhig, ganz da.

Vielleicht würde sie ihm einen Kaffee machen, ohne viel zu sagen.

Wenn es passt, würde sie ihm mit einem Blick zeigen, dass sie froh ist, dass er da ist.

Und dann … würde sie schauen, wohin der Tag sie trägt – ohne Plan, aber mit Gefühl.

So würde vermutlich der Tag von Liz und Ben beginnen.

Wir waren nicht dabei, als ihr Morgen im Hotel Trois Rois begann –

aber eines ist sicher:

Wir werden dabei sein, wenn sie das Hotel verlassen.

Wir werden mit einsteigen,

um mitzuerleben, wie die beiden nach Wien aufbrechen.

Der Portier geht zu Fuß ins Parkhaus Storchen an der Schifflände.

Er kennt den Wagen, kennt Liz – und er weiß, was zu tun ist.

Wenig später fährt er den schwarzen Audi vor das Hotel.

Alles wirkt eingespielt, fast wie eine Szene, die schon oft genau so stattgefunden hat.

Wir sehen ihr Lächeln, doch wir hören ihre Gedanken nicht.

Wir können nur ahnen, was in ihr vorgeht, während sie schweigend dasteht.

Alles an ihr wirkt gesammelt, klar, ruhig.

Es ist dieser stille Beginn eines Tages, der in Erinnerung bleiben könnte.

Wir begleiten sie, ohne uns aufzudrängen –

beobachtend, tastend, bereit, mit ihr loszufahren,

wenn der Audi vor dem Trois Rois steht

und der Portier ihr wortlos den Schlüssel reicht.

Sie fuhren los – mit Liz am Steuer, Richtung Wien.

Der Verkehr war mäßig, die Stimmung gut.

Rund 800 Kilometer lagen vor ihnen,

doch kein einziges Problem stellte sich ihnen in den Weg.

Sie lachten über die Temperaturanzeige,

die am Morgen noch 8 Grad gezeigt hatte

und sich bis zum Abend auf 16 steigerte –

als wolle selbst das Wetter ihre Reise begleiten.

Ansonsten schwiegen sie oft,

hingen einzeln und gemeinsam ihren Gedanken nach.

Die A1 hinunter,

Kilometer um Kilometer –

bis hinein in die Stadt.

Und dann, als der Wagen durch die vertrauten Straßen Wiens rollte,

wandte sich Liz zu Ben, lächelte und sagte:

„Servas, Schatzi! Jetzt bist bei mir daham – mitten in mein Herz und mitten in Wien!“

Die ersten Bilder, die mich begleiteten,

waren die Straße und die S-Bahn –

vor allem aber die wunderbaren, alten U-Bahn-Stationen.

Von oben zugänglich, fast unscheinbar,

doch unter der Erde führten die Züge mit stiller Entschlossenheit durch Wien.

Es war, als würde die Stadt unter der Stadt atmen –

ein Puls aus Stahl, Licht und Bewegung,

der mich gleich zu Beginn umhüllte.

Ich staunte über die Bilder,

über die Menschen –

schöner gekleidet, modischer als anderswo.

Gekleidet eben wie in einer Großstadt.

Wien hatte Stil,

nicht laut, nicht aufdringlich,

sondern selbstverständlich.

Dann machte sie einen leichten Rechtsschwenk –

und plötzlich fuhren wir am Schloss Schönbrunn vorbei.

So einfach. So beiläufig.

Und doch war es, als hätte Wien selbst kurz den Vorhang gelüftet,

um uns einen ersten Blick auf seine Geschichte zu schenken.

Sie fuhr einfach weiter.

Ich fragte sie: „Wohin?“

Da antwortete sie ruhig:

„Ich habe eine kleine Villa geerbt – von der Tante.

Die Familie weiß noch nichts davon.

Gleich neben dem Schloss … dorthin fahre ich mit dir.“

Wir bogen in einen Hof ein –

und was ich sah, ließ mich nicht schlecht staunen:

Ein paar Mercedes-Limousinen standen dort,

als würden sie auf ein Fest oder eine Entscheidung warten.

Der Moment war still, aber voller Bedeutung.

Wir stiegen aus.

Ich lud die Koffer aus dem Wagen

und trug sie hinauf in den ersten Stock.

Die Steinstufen waren abgenutzt,

geschliffen von Jahren, vielleicht Jahrzehnten.

Mit jedem Schritt spürte ich,

dass dieser Ort mehr war als nur ein Erbe –

er war ein Versprechen.

Die Wohnung war neu umgebaut worden –

modern, klar, mit Gefühl für das Wesentliche.

Vermutlich nur für diesen Augenblick.

Nur für mich.

Mit ihr.